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Es soll auf der Welt 22 000 Konfessionen geben. Kein Druckfehler! Zweiundzwanzigtausend Kirchen, religiöse Gruppen und Vereinigungen mit eigenem Bekenntnis oder eigenständiger Organisation.
Freikirche- nicht weil wir es geworden sind
Müssen wir da als Pfingstgemeinden auch noch dazukommen? Das Bild noch vielfarbiger, unübersichtlicher und verwirrender machen? Müssen wir eigentlich eigenständige Gemeinde und Freikirche sein? Hätten unsere Väter nicht in ihren Kirchen bleiben sollen? Fragen über Fragen! Warum also sind wir Freikirche?
Der Lauf der Kirchengeschichte ist durch viele Irrungen und Verwirrungen gekennzeichnet. Bereits Paulus weist in der Abschiedsrede an die Ältesten der Gemeinde Ephesus in Milet auf das Auftreten falscher Lehre und die Machtlüsternheit kommender Führer hin. Die Geschichte hat ihn nur zu nachdrücklich bestätigt.
Die Entwicklung zur Sakraments- und Volkskirche verfälschte sowohl den Weg zu Christus als auch den Weg mit Christus. Nicht mehr durch Buße, Gnade und Glaube kam man zu Christus, sondern durch die Teilhabe am Sakrament. Nicht durch Glaube, Hingabe und Verbindlichkeit in der Gemeinde lebte man mit Christus, sondern durch Leistung und formale Kirchenordnungen.
Da machten nicht alle mit. Hin und her erhoben sie Protest und versuchten sich der Entwicklung entgegenzustemmen. So entstanden außerkirchliche Gruppierungen und Erweckungsbewegungen. Einige verloren sich im Fluß der Geschichte, andere wurden zwangsläufig zu Freikirchen.
Sind wir als Pfingstgemeinde also nur gewordene Freikirche? Unter dem Druck der Ablehnung zur Eigenständigkeit gezwungen worden? Zum Teil ja. Zumindest zu Beginn unseres Jahrhunderts.
Doch nur aus historischem Zwang Freikirche zu sein, ist zuwenig. Das kann einer aufrichtigen Hinterfragung nicht standhalten.
Freikirche- weil wir es gewollt haben
In der Kirchengeschichte ist die Frage nach der "Gemeinde nach der Schrift" nie verstummt. Lange wurde jeder Versuch, solche Gemeinden zu bauen, blutig verfolgt. Dennoch kam es zu solchen bewußten Gemeindegründungen, die nicht irgend etwas reparieren, sondern biblische Gemeinde bauen wollten.
Dieses Anliegen brach vehement in der Reformationszeit auf. Täufer und andere Gemeindebewegungen wollten mehr als nur Teilreformation. Sie wollten biblische Gemeinde. So entstanden bewußte Freikirchen.
Im Lauf der folgenden Zeit kam es, besonders als Folge von Erweckungen, zu einer Zunahme von Freikirchen und ihrem Wachstum.
Neben manchen Unterschieden gab es eine große Übereinstimmung beim Gemeindeverständnis als gewollte Freikirche. So sind wir als Pfingstgemeinde gewollte Freikirche, die nicht in der bestehenden Volkskirche bleiben wollte- weil sie dem neutestamentlichen Zeugnis von der Gemeinde nicht entsprach-, sondern bewußt Gemeindebau nach dem Zeugnis des Neuen Testaments als ihren Auftrag sah.
Freikirche- weil es dem Vorbild des Neuen Testaments entspricht
Es geht nicht nur um eine "freie Kirche", als staatsfreie und unabhängige Kirche, sondern um "Freikirche", die in dem Gemeindezeugnis des Neuen Testaments eine bleibende Verpflichtung sieht.
Diese Gemeinde ist eine Gemeinde der Gläubigen, die durch Buße und Wiedergeburt zu Gliedern am Leibe Jesu wurden. Sie sind durch einen "Geist zu einem Leibe getauft". Kein Sakrament noch äußerliche Zugehörigkeit zu einer Kirche macht sie zu Christen. Das Heil ist weder erlernbar noch vererbbar, sondern wird aus Gnaden in der Wiedergeburt erfahren. Die persönliche Heilserfahrung und der persönliche Empfang des Heiligen Geistes sind unaufgebbarer Bestandteil dieser Gemeindevision. Die Gemeinde rettet nicht, sondern sie besteht aus Geretteten.
Was die Mitgliedschaft und den Haushalt anbetrifft, so ist sie eine Freiwilligkeitsgemeinde. Freiwillig tritt der Erlöste in die Nachfolge Jesu ein- dann aber weiß er sich zur gelebten Jüngerschaft verpflichtet.
Das drückt sich im persönlichen Eintritt in die Gemeinde aus, denn das "Ja" zu Jesus schließt das "Ja" zur Gemeinde ein. Konsequenterweise wird deshalb die biblische Taufe ernst genommen. Erst nach der Umkehr und dem erlebten Heil wird der Gläubige getauft und so der Gemeinde hinzugetan. Gemeindemitgliedschaft ist somit ein Stück gelebter Nachfolge.
Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments gehört dazu auch die Unterstützung der Gemeinde durch freiwillige Gaben. Freikirche lehnt Kirchensteuer und Zwangseinzug von Beiträgen ab. Sie finanzieren Gemeindehaushalt, Missionsaktivitäten und diakonische Werke grundsätzlich aus den Beiträgen ihrer Glieder oder anderer eigener Einnahmen. Manchen mag solch eine Finanzierung unsolide erscheinen. Aber wo Menschen Jesus lieben, werden auch die Opfer gebracht. Wenn eine Gemeinde diese Liebe verliert, ist sie auch nicht mehr lebendig.
Im Verhältnis zur Welt ist sie eine abgesonderte Gemeinde. Gemeinde heißt "Ekklesia"- die "Herausgerufene". Wer sich zu Jesus rufen läßt, läßt sich damit aus der Welt und dem alten Leben herausrufen. Sie ist zwar in der Welt, aber nicht von der Welt. Soviel in ihr vom neuartigen Charakter durchbricht, soviel Leucht- und Salzkraft hat sie.
Die Gemeinde- obwohl aus Menschen bestehend und in der Welt- ist immer ein Gegenüber zur Welt. Wo nicht von WELT als Gegenüber geredet wird, kann auch nicht mit AUTORITÄT von Gemeinde geredet werden.
Zum allgemeinen Verständnis der neutestamentlichen Gemeindebewegungen gehört deshalb die gelebte Jüngerschaft. Diese schließt Verbindlichkeit und die Verpflichtung zu einem neuen Lebenswandel ein. Darum gehört zum Gemeindebild auch die Gemeindedisziplin nach Matthäus 18,15-20. Sie weiß sich zur Seelsorge aneinander gerufen, aber auch zu schwerwiegenden Konsequenzen, wenn ein Glied, das offenbar gesündigt hat, nicht Buße tut.
Gemeinde ist nicht nur eine Versammlung, zu der man zusammenkommt, sondern eine Körperschaft, in der man eingeschlossen, aber auch ausgeschlossen werden kann. In ihr gelten nicht unbesehen die Wert- und Moralvorstellungen der Welt. Christsein muß sich in allen Gebieten des Lebens offenbaren.
Weil wir der Heiligen Schrift in diesen Aussagen verpflichtet sind, sind wir Freikirche.
Reinhold Ulonska,
Präses des BFP bis 1996, heute Ehrenpräses